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Letztes großes Tabu zu Jörg Haider ist gebrochen

Posted in Oesterreich, Print by Pangloss on 9. Oktober 2009

(Wien, am 9. Oktober 2009) Jetzt ist es amtlich. Das letzte große Tabu ist gebrochen. Es wird sicher ein Gesprächsthema rund um die heute beginnenden, dreitägigen Feierlichkeiten zum vor einem Jahr verstorbenen Landeshauptmann von Kärnten werden.

Hans Dichands Kronen Zeitung bringt am 9. Oktober 2009 weder auf der Titelseite noch im Blattinneren etwas zum Thema. (Foto: Titelseitenarchiv Oswald 1090)

Eva Dichands Heute bringt am 9. Oktober 2009 weder auf der Titelseite noch im Blattinneren etwas zum Thema. (Foto: Titelseitenarchiv Oswald 1090)

Der Kurier aus dem Hause Mediaprint, an der Hans Dichand beteiligt ist, bringt am 9. Oktober 2009 weder auf der Titelseite noch im Blattinneren etwas zum Thema. (Foto: Titelseitenarchiv Oswald 1090)

Wolfgang Fellners Wiener Tageszeitung Österreich eröffnet das Thema. (Foto: Österreich, 9. Oktober 2009. Quelle: Titelseitenarchiv Oswald 1090)

Der Informationsfluss lief über Deutschland. In Österreich herrschte unter heimischen Zeitungsredakteuren die Abmachung, dass man das Intimleben eines Politikers nicht angreift. So hielt man es auch bei Jörg Haider. Dieser glänzte über die Jahre immer wieder damit, dass er zu seinen Assistenten, junge, attraktive Männer machte, die auch Auslandsreisen mit ihm unternahmen. Es war auch bekannt, dass er in Kärntner Lokalen gerne gesehener Gast war. Zudem wirkte er immer, auch im Alter, erfrischend jung, obwohl er sich nie mit jungen Frauen umgab, wie das andere Politiker anderer Länder gern tun.

Die Anlage zur Homosexualität (genauer: Bisexualität) passt zu jemandem, der sich auch politisch variabel hielt. Es ist nichts Schlimmes, daher ist die Veröffentlichung weniger bedenkenswert als deren sklavische Verheimlichung. Die Sexualität des Menschen ist frei wählbar. Wie eine politische Partei. Das Wahlgeheimnis ist nun gebrochen.

Lebensgefährte suchte deutsche Öffentlichkeit

In der Veröffentlichung in „Österreich“, die sich auf die „Bild“-Zeitung beruft, wird der Kärntner Rene N., 31, zitiert, der in der deutschen Zeitung (Auflage: 3 Millionen) sein Schweigen jetzt beendet. Man habe sich vor acht Jahren bei einem Fest in Villach kennengelernt. Er war kein politischer Mitarbeiter, sondern teilte ab damals das private Leben mit Jörg Haider in dessen Klagenfurter Stadtwohnung.

„Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner sagt in einem Extra-Kommentar zum Thema, man solle Jörg Haider als Politiker in Erinnerung behalten. Mit seinen „wahren Worten“ der Kritik an den Großparteien, dem Filz und dem Proporz. „Sein Privatleben ruhe in Frieden…“, schließt Fellner seinen Kommentar. Das könnte man – weniger wohlwollend – als publizistische Doppelbödigkeit interpretieren. Denn man geht als einzige österreichische Zeitung mit dem Geheimnis heraus.

„Ein bisschen bi schadet nie!“

Auf lange Sicht war es aber der richtige Schritt: Da es ehrlicherweise keine authentische Erinnerung an jemanden mit doppeltem Boden gibt. In der Wiener Bevölkerung wird die Enthüllung ohnehin gelassen aufgenommen. „Haider war nicht homosexuell“, wischen Anhänger Unterstellungen vom Tisch. „Er war bisexuell. Er hatte Frau und Kinder. Und wie heißt es? Ein bisschen bi schadet nie!“ Thema erledigt.

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Link extern: Bild-Zeitung – Ein Jahr nach Unfalltod packt sein Geliebter aus. (9. Oktober 2009)

Link intern folgt: Politiker Jörg Haider verstarb am 11. Oktober 2008 (Rückschau auf 13 „profil“-Cover)

Marcus J. Oswald (Ressort: Print, Österreich)