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Dimitrij Grieb – Verliert Medienprozess um diskriminierenden Schwuchtel-Sager – 4.000 Euro Schadenersatz

Posted in Gerichtssaal, Medienrecht by Pangloss on 24. Juni 2009

Dimitrij Grieb (Bildmitte, Blick zur Kamera): Ein Hetzer gegen Homosexuelle, im Kreise seiner Freunde, die mit einer kleinen Wochenzeitung Stimmung und Politik machen wollen. Seine Hetzsprache hat ihm fürs Erste gut 10.000 Euro gekostet. Der Komplexler ist Chef vom Dienst in Andreas Mölzers Wochenzeitung, der wiederum in Bibiotheken von Justizanstalten mit seinen Elaboraten verboten ist. (Foto: Marcus J. Oswald, am 24. Juni 2009)

(LG Wien, am 24. Juni 2009) Die meisten Agitatoren vom politisch rechten Außenrand schreiben unter Pseudonym in zahlreichen Internetforen. Andreas Mölzer ging einen Schritt weiter: Er schuf vor zehn Jahren eine Zeitung als Sammelbecken. „Zur Zeit“ nennt sie sich und wenn man es abkürzt, heißt das „ZZ“ und klingt, wenn man es spiegelverkehrt schlampig schreibt, wie „SS“.

Komplexe

Dimitrij Grieb ist klein und trotz des jugendlichen Alters von Mitte Dreißig mit schütterem Haarwuchs bestraft. Gott macht, was Gott will. Versetzt man sich in den Kopf dieses Mannes, kommt man ins Grübeln, welche Frau er einmal findet. Eine, die auf Glatzen steht? Eine, die auf napoleonhaft kleinwüchsige Männer steht? Wer kann das sein? Eine Thai? Eine Philippina? Eine Prostituierte, die von jedem Geld nimmt, der zahlt? Wenn der Mensch mit Defiziten bestraft ist, weil Gott tut, was Gott will, kann geschehen, dass sich Komplexe der Minderwertigkeit im Bewußtsein breit machen. Sigmund Freud nannte es den „Minderwertigkeitskomplex“. Bei Intelligenten sublimieren sich die Komplexe zu dichter Kreativität, die Mitmenschen viel Freude machen. Viele Künstler sind schüchterne Zeitgenossen. Aus der Verdichtung ihrer Komplexe schaffen sie Großes.

Gut-Menschen

Dann gibt es mit Defiziten Bestrafte, die ihren Zorn auf sich selbst auf die Anderen richten. Zu diesen gehört Dimitrij Grieb. Er gehört zur Sorte Zeitungsfritze, die vor das Wort „Mensch“ das Attribut „gut“ stellen müssen, um klarzumachen, was sie meinen. Wer „Gutmensch“ schreibt, hat entweder Hirntumor, der drückt, oder soviel Druck im Kopf, dass er der politischen Überzeugung ist, dass es auch „Schlecht-Menschen“ gibt. Ein angewandtes Beispiel: Die Zeitung „Zur Zeit“ (der Herausgeber hatte vor Wochen einmal ein Exemplar in Händen, es jedoch verlegt) führt eine Rubrik „Kriminalität“. Darin wird ein Wochenspiegel geführt, in dem pro Tag nur eine Kriminaltat genannt wird, die von Ausländern und Asylwerbern stammt. Die Meldungen sind aus Regionalzeitungen zusammengestohlen. Propagandistisch wird der Eindruck erzeugt, Kriminalität werde nur von Ausländern und Asylwerbern erzeugt. Die Wahrheit ist: Der Ausländeranteil bei Verurteilungen liegt (wie in Deutschland) bei 26%. (Beleg 1, Beleg 2)

Gute Menschen am Wort

Dimitrij Grieb verantwortet als „Chef vom Dienst“ (CvD), also als „Mädchen für Alles“ der Wochenzeitung diesen Unfug. Das „Zur Zeit“-Faktotum zählt sich zu den „guten Menschen“. Die anderen sind nur die „Gutmenschen“. Dieses ironische Wort für eigentlich „schlechte Menschen“ verwenden seine Hobby- und Gastautoren gern. Deren Ansicht: Verbrecher kann man außer Landes werfen und das Problem ist beseitigt! Inländer, die Schlechte sind, obwohl unbescholten wie Gery Keszler, kann man nicht ausweisen. Daher muss man sie punzieren, brandmarken, denunzieren, in die innere Emigration (reservatio mentalis) treiben, diskriminieren und von den guten Menschen abgrenzen wie auf der Rampe im KZ. Ein ähnliches Wort wie das stigmatisierende Killervokabel „Gutmensch“ erfüllt die Bezeichnung „Berufsschwuchtel“. Es verfolgt zwei Stoßrichtungen: Den Gegner wüst beschimpfen und ihn beruflich erledigen, indem man die innere Einstellung mit der öffentlichen Rolle in Kombination bringt und beides verwirft. Ob beide Ebenen etwas miteinander zu tun haben, interessiert die Herrenmenschen mit der Gabe der Selektion nicht. Das Thema des Medienprozesses am 24. Juni 2009 kreist ständig um Lebendesign und Außenrolle des Gery Keszler, der als Kläger gegen die publizistische Beschimpfung aus 2007 auftritt. Er muss sich erklären als wäre er Angeklagter im Tribunal, um am Ende doch Recht zu bekommen. Denn zu Prozessbeginn um 10 Uhr 30 im Saal 308 zum „Kommentar“ dieses Dimitrij Grieb aus dem Juli 2007 in besagter Mölzer-Gazette, in der noch einige weitere zweifelhafte Hobbyautoren ihre politische Gesinnung dartun, wird von der Zeitung festgehalten, dass ein „Vergleich“ ausgeschlossen ist.

Der Klägeranwalt von Gery Keszler hält fest, dass der „Life Ball“ eine Charity-Veranstaltung für die „Aidshilfe“ und „Aidsforschung“ ist und nicht eine ausschließliche Promotionveranstaltung für Homosexualität. Dass diese Feststellung in einem freien Land und in einer freien Demokratie überhaupt getroffen werden muss, ist widerlich. Denn auch wenn es eine werbende Veranstaltung für Homosexualität wäre, stünde es einem Veranstalter zu, da Homosexualität unter Erwachsenen nicht unter Strafe steht. Doch die Klagserwiderung der FPÖ-Seite baut auf einem rein politischen Argument: Die Mölzer-Zeitung will verhindern, dass die Veranstaltung „Life Ball“ auch für Gleichberechtigung von Homosexuellen auftritt.

Life Ball bald unpolitisch wie Welser Volksfest?

Aus dieser am 24. Juni 2009 im Gerichtssaal 308 geäußerten Feststellung und dem Hetz-Kommentar vom Juli 2007 leitet sich ab, dass die Mölzer-Zeitung Homosexuelle aus radikalkonservativen und ideologischen Zwängen weiterhin als Menschen zweiter Klasse sieht. Der Beklagtenanwalt aus der Kanzlei des FPÖ-Parlamentariers Johannes Hübner, der nicht persönlich da ist, sich vertreten lässt und bei der propagandahaften Zeitung weiterhin als Gesellschafter mit drei Prozent „am Teil“ hängt, legt zum Beweis einen uralten Artikel aus „News“ vor. Damit offenbart die Zeitung schon am Beginn des knapp 90-minütigen Prozesses, dass sie wenig Stichhaltiges für ihre in den Gerichtssaal gezogene politische Polemik bei der Hand hat: Der Artikel aus 2001 (!) berichtet, dass am „Life Ball“ damals ein „Wedding-Chapel“ stand, in dem sich Paare beider Geschlechter symbolisch und spielerisch „noch einmal trauen lassen konnten“. Dass dieses Zelt Teil einer Marketing-Aktion des TV-Senders ATV war, der diese Aktion gesponsert hatte, sagt die Zeitung nicht.

Nach diesem ersten Geplänkel behält der Klägeranwalt Gery Keszlers konzentriert wie ein Boxer taktische Distanz zum Gegner und verzichtet darauf, Gift zu verspritzen. Dagegen legt der Beklagtenanwalt einen Bund „neuer“, unterschiedlichster „Belegartikel“ aus Zeitschriften der (traditionell in sich zerstrittenen, Anm. M&K) Wiener „Gay-Community“ vor, die man in freiheitlichen Kreisen offenbar ausführlich studiert, die jedoch mehr verwirren als sie Klarheit liefern.

Fundi-Kritik und alte Methoden

Richterin Karin Burtscher wacht mit Langmut über dem Geschehen. Bald ist klar: Ein Vergleich im Frieden kommt nicht. Die Zeitung lehnt dezidiert ab. Da es der Neuen Rechten und ihren publizistischen Organen nicht um Frieden im Land geht und freundliche Koexistenz, sondern um Fundamentalkritik und Kehraus, beginnt das Beweisverfahren mit der Plauderstunde des Dimitrij Grieb.

Verdienstvoll

Zu Beginn legt der rechte Agitator sein Verdienst offen. Hier zeigt sich die erste Überraschung. Er konnte binnen zweier Jahre um 50 Prozent zulegen. Lag sein Gehalt beim ersten Prozess 2007 noch bei 1.000 Euro, gibt er nun 1.500 Euro netto an. Möglicherweise hat die staatliche Presseförderung von knapp 100.000 Euro für „Zur Zeit“ beim Lohn des publizistischen Rechtsaußens durchgeschlagen. „Berufsfreiheitlichen“ sollte man den Mann mit dem russischen Vornamen dennoch nicht nennen, dessen Vater Fritz und Mutter Roswitha heißen. Der Rechtsaußen kommt ab der ersten Minute ins weitgreifende Schwafeln.

„Der Life Ball ist ein Ereignis der Gay-Community“, sagt er und der Ball „propagiert schwulen Lebensstil“. Das ist nicht gut, so der Beklagte im Gerichtssaal. Die Richterin will wissen: „Wie kam es zum Benennung von Gery Keszler als Berufsschwuchtel?“. Das „ist auch ganz einfach“, so der Rechtsaußen im Zeugenstand: „Er trägt schwule Identität vor sich her“ und „stellt Forderungen politischer Homosexualität“. Das ginge alles nicht, so der Mitarbeiter von der Randgruppenzeitung, die eben einmal 10.000 Auflage hat.

„Ich kenne mich in der Szene nicht aus.“ (Beklagter Grieb)

Die Richterin frägt direkt: „Schwuchtel – Ist das ein abwertender Begriff. Ja oder nein?“ Grieb muss es wissen: „Nein. Nicht bei Schwulen.“ Doch weiß er es wirklich? Schon im nächsten Atemzug sagt er: „Ich kenne mich in der Szene nicht aus.“ Und fügt hinzu: „Es ist üblich, dass man sich in der Szene Schwuchtel nennt.“ Also was jetzt? Kennt er sich aus oder nicht? Richterin fasst geduldig zusammen: „Also, der Artikel ist Kritik an Keszler und seinem Lebensstil?“ Der Rechtsaußen freut sich, dass endlich jemand versteht. Doch dann hakt die Richterin nach. „Für Sie ist jemand, der für Gleichstellung von Homosexuellen eintritt und zugleich Homosexueller ist, eine Berufsschwuchtel?“ Grieb, nüchtern: „Es fällt auf, dass er mit dem Ball eine massiv gesellschaftspolitische Stellungnahme macht.“ Wirklich, fällt das auf? Grieb sagt, warum ihm das auffällt, noch einmal wörtlich im Gerichtssaal am 24. Juni 2009: „Gleichstellung Homosexueller ist nicht gut.“ Sein Anwalt schießt nach und legt einen Artikel aus einer politischen Homosexuellenzeitschrift vor (Lambda Magazin, 2008). Kurt Krickler, der Obmann (und nicht der einzige politische Homosexuellenobmann Wiens, Anm. M&K) soll darin die Meinung äußern, dass, nach den kurzen zusammenfassenden Worten das FPÖ-Anwalts, „eine Gleichstellung Homosexueller nicht Ziel“ sein kann. Zum Beweis möchte der FPÖ-Anwalt den Obmann der Organisation HOSI (Homosexuelleninitiative) Kurt Krickler gleich auch als Entlastungszeugen vorladen!

Typisch freiheitliches Gerichtsschach

Das ist in zweifacher Hinsicht ein geschickter taktischer Schachzug der beklagten Seite: Zum Einen ist nicht bekannt, dass Kurt Krickler (der in Wien unter organisierten Homosexuellen gleichviel Freunde wie Feinde hat, Anm. M&K) der FPÖ nahe steht und von seinem Glück etwas weiß, als Gegner von Gery Keszler geladen zu werden. Zum Anderen zeigt es, wie freiheitliche Anwälte immer wieder ihre Prozesse planen: Sie nehmen sich vermeintliche Gegner in fremden Milieus, die sie nicht kennen und wollen sie öffentlich gegeneinander ausspielen.

Kleinzeitung sorgt sich um Spendengütesiegel

Ein letztes Argument wird von Dimitrij Grieb dann als Rettungsring ausgeworfen. Damit er überhaupt ein Argument für seinen diskriminierenden Artikel hat, bringt der minutenlang fest politisierende Beklagte noch an: „Der Verein (der den Life Ball ausrichtet, Aids Life in 1090, Anm. M&K) hat kein Spendengütesiegel.“ Der Beklagte tut nun so, als wäre dieses der Anstoß für seinen Hetzkommentar gewesen. Hunderte Vereine haben kein „Spendengütesiegel“, auch solche der FPÖ. Natürlich war das nie der Hauptanstoß für seinen Artikel. Doch ein Argument nun im Prozess, das ihn seriös erscheinen lassen soll. Das Spendengütesiegel kommt nämlich im Artikel gar nicht vor.

Gery Keszler ist dieser ganze Prozess sehr zuwider. Während der Einvernahme des Vornamerussen Dimitrij Grieb dreht er sich auf der Parteienseite seitlich weg und blickt immer zu Boden oder in die Luft. Er versucht dem Zeitungsfritzen den Rücken zuzukehren, was auf Grund der Sitzordnung nicht klappt. Aber man merkt, wie ihm jede zweite Aussage der beklagten Partie (Zeitungsfritze, Zeitungsanwalt) merklich unter die Haut geht und ihn aufregt. Seit 16 Jahren organisiert er in Wien ein immer populärer werdendes Event und predigt in seiner stillen Art liberalen Umgang miteinander. Die Aussagen der freiheitlichen Bulldozer, wenngleich im kleinen Gerichtssaal 308 in typisch samtener Stimme der kalten, unethischen Besserwisserei formuliert, müssen ihn überfahren wie einen Selbstmörder der heranbrausende Zug. Auch wenn er es sich nicht anmerken lässt: Dass sich die gegnerische Partei für die plakative Beschimpfung nicht entschuldigt, den Unfrieden sucht und sogar den „Wahrheitsbeweis“ antreten will, trifft ihn umso härter.

Keszler kommt allein

Er kommt dann in den Zeugenstand. Mit modisch-weißen Sakko, modischen, dunklenblauen Jeans und beigen Schuhen. Keszler begann vor 20 Jahren in Paris als Modedesigner, wo er Jahre lang lebte und zieht sich an, wie es ihm gefällt. Einige Zuseher, die der freiheitlichen Mölzer-Zeitung zuzurechnen sind, mustern ihn im Saal 308, der zwei Sitzreihen hat, argwöhnisch aus dem Augenwinkel von der Seite. Würden Sie ihm die Hand geben? Wo ist danach das Handwaschbecken? Sieht so ein Schwuler aus? Man kann froh sein, dass noch die Journalisten der „APA“, „Presse“, des „Kurier“, des „Standard“, M&K, sowie Altkiebitz Herr „Heinz“ (ehemaliger Finanzreferent des „First Footballclub Vienna“, davor Finanzvorstand des „Gerngross“) einige Plätze im Saal 308 in Anspruch nehmen, sonst würden Gery Keszler nur freiheitliche Anhänger argwöhnisch „mustern“. Keszler ist nämlich bei diesem Prozess weniger gut „organisiert“ als man glaubt: Er kommt mit seinem Anwalt allein. Auf die Claque verzichtet er.

Im Zeugenstand erklärt er, wie er auf den Beitrag aufmerksam wurde: „Bekannte machten mich aufmerksam.“ Sein Motiv zu klagen: „Berufsschwuchtel ist für mich eine Beleidigung.“ Er wurde danach darauf angesprochen und musste Erklärungen abgeben. „Es trifft eine ganze Bevölkerungsgruppe und kann zu Verwechslungen führen, dass Leute dann annehmen, dass man auf den Strich geht.“

Life Ball bevorzugt Homosexuelle nicht

Die Richterin stellt eine klare Frage: „Was machen Sie beruflich?“ „Ich bin Organisator des Life Balls“. Richterin: „Machen Sie auch etwas nebenberuflich?“ „Es gab 2008 eine Anfrage des ORF bezüglich einer Serie. Diese hatte aber nichts mit meiner Funktion zu tun, sondern es sollte eine Serie über vier Personen werden, die einen Hubschrauberschein machen wollen.“

Dann will die Richterin wissen: „Was ist der Life Ball?“ Keszler: „Es gibt einen Verein, der Aids Life heißt. In diesem Verein bin ich Obmann. Dieser Verein richtet einmal im Jahr den Life Ball aus.“ Richterin: „Spricht der Life Ball nur Homosexuelle an?“ Keszler, in ruhigem Ton und sachlich: „Nein. Er soll, dass ist immer die Idee gewesen, Jung und Alt, Reich und Arm ansprechen. Mehrheitlich kommen Heterosexuelle. Der Life Ball ist eine Charity-Veranstaltung für Toleranz und Aufklärung zu Aids. Das steht im Zentrum.“

700 Interviews pro Jahr

Die Richterin will wissen, ob Keszler für „Gleichstellung von Homosexuellen“ eintritt? Keszler differenziert: „Ich gebe im Jahr rund 700 Interviews. Ich kann mir die Fragen der Journalisten nicht aussuchen. Wenn ich gefragt werde, ob ich für Gleichstellung bin: Ja. Dann gebe ich die Antwort Ja. Aber ich bin im Verein (Veranstaltungsverein, Anm. M&K) nicht politisch tätig.“ Er will damit sagen: Er missioniert nicht. Die Richterin kommt auf die T-Shirts zu sprechen, die den Aufdruck www.berufsschwuchtel.org trugen. „Wer hat das organisiert?“ Keszler: „Der Verein Aids Live in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Wien Live als Träger.“ Richterin: „War die Aktion davor oder danach?“ Keszler: „Nach Erscheinen des Artikels.“ Richterin, die ihren Fragenkatalog gut vorbereitet hat: „Was geschah mit dem Geld?“ Keszler: „Die Shirts wurden für 15 Euro verkauft. Am Erlös verdiente der Life Ball nichts. Die Einnahmen der Shirts wurden in Aids-Projekte umgewidmet.“ Richterin stellt noch einmal eine Frage zum Live Ball, da die beklagte Partei die These aufstellt, dass der Ball eine Veranstaltung mit der Zielgruppe „Homosexuelle“ sei: „Wie wird der Life Ball kommuniziert? Wer bekommt Karten? Wie läuft das?“

Gery Keszler, in ruhigem Ton: „A. Über Medienaussendungen. B. Im Vorfeld wird das Drehbuch der Veranstaltung geplant. Der Ball ist immer zweigeteilt, ein Teil öffentlich und ein Teil im Rathaus. Heuer gab es eine Polonaise mit Herrn Elmayer und wieder eine Eröffnungsrede des Wiener Bürgermeisters. C. Zur Eröffnung kann jeder per SMS-System eine Sitzkarte erhalten, über 6.000 sind es. Hier haben wir überhaupt keinen Einfluss auf die Kartenvergabe. D. Dazu wurden 700 VIP-Tische für die Eröffnung verkauft. E. Für das Rathaus gibt es ein Kartenkontingent, auf deren Verkauf wir keinen Einfluss nehmen. F. Es gibt Stammkunden, die 100 Karten bekommen, weil sie am Wettbewerb der besten Kostüme seit Jahren mitmachen.“ Der Anwalt Keszlers will wissen: „Werden gezielt Homosexuellenvereine eingeladen mit Kauf- oder Freikarten?“. Keszler: „Nein.“ Keszler hält fest: „Jeder Gast ist wichtig. Nicht nur Prominente, es wird niemand bevorzugt. Es gibt die Prominenten wie Elton John, Sharon Stone oder Bill Clinton, der bekanntlich nicht homosexuell ist. Es kommen viele Modemacher und Künstler.“ Keszler hält fest: „Großteils Heterosexuelle und großteils Frauen.“ Er erwähnt noch, dass er den ersten und zweiten Ball aus eigenem Geld finanziert hat, beim dritten Ball 70.000 Schilling Jahreswerkvertrag hatte und aktuell als ehrenamtlicher Obmann des Vereins und hauptamtlicher Organisator des Balls ein Gehalt von 2.500 Euro netto bezieht.

Ehe-Erneuerung im Zelt (2001)

Auf die Frage seines Anwalts „Was war das Wedding Chapel?“ antwortet Keszler: „Das war 2001 ein Zelt, in dem sich Paare neu trauen konnten. Das hat die Agentur Hirtzberger entwickelt und ATV plus bezahlt.“ Dort haben sich unter anderem Richard und Mausi Lugner neu getraut, aber auch Mitglieder des Modehauses Missouri, und, sehr zur Kritik des Beklagtenanwalts: Keszler und sein damaliger Freund. Wirkung hatte es keine: Die Lugners sind auseinander und Keszler und sein damaliger Freund auch. Doch der Beklagtenanwalt wittert dahinter eine massive politische Botschaft für eingetragene Partnerschaften und meint, dass der „Life Ball“ eine politische Bewegung sei. Keszler beschwichtigt: „Das Zelt gab es zwei, drei Jahre, seither nicht mehr. ATV wollte das Wedding Chapel und sie machten auch zur Verpflichtung, dass ich mich mit meinem damaligen Freund in das Zelt stelle.“ Das Zelt war eine Marketingsache von ATV, mehr das was nicht, so Keszler. Auf die Fragen des Anwalts der FPÖ: „Hätten Sie das Wedding Chapel verhindern können?“ Keszler: „Nein, denn das war ein großes Sponsoring und Bedingung war das Hochzeitszelt für ATV.“ Er verweist noch einmal darauf, dass dort auch viele heterosexuelle Paare „ihre Ehe erneuert haben – was aber bei Richard Lugner auch nichts genutzt hat“.

Klägeranwalt will wissen: „Begrüßt man sich in der Szene mit Schwuchtel?“ Keszler: „Nein, keiner untereinander. Es ist ein Schimpfwort. Es ist ein unfreundliches Wort.“

Klägeranwalt: „Nutzen Sie Ihren Status der Prominenz?“ Keszler: „Nein, aber ich muss Journalistenfragen beantworten.“ Zum Verein „Aids Life“ und zur Zusammensetzung des Personals sagt er: „Ich bin dort Vorstand, aber die Mehrheit im Verein ist heterosexuell. Das war immer so.“ Er erläutert, dass er Verein für viele ein Karrieresprungbrett in Marketingabteilungen von großen Firmen ist. Dem Verein gehe es um das „Zusammenbringen von gesellschaftlich relevanten Gruppen“.

Politische Zeitung „Zur Zeit“ will politisches Bekenntnis verbieten

Der gegnerische Anwalt hält ihm Artikel unter die Nase, in denen Keszler gesellschaftsrelevante Aussagen machte. Artikel aus dem „Trend“, „Kurier“, aber auch Boulevardmedien. Keszler verweist darauf, dass im Jahr 3.500 Artikel zum „Life Ball“ erscheinen und er oft verkürzt zitiert wird. Er könne nichts dagegen machen. Die Richterin will wissen: „Wenn jemand die Behauptung aufstellt, der Life Ball sei ein Schwulenball. Gehen Sie dagegen rechtlich vor?“ Keszler erklärt, dass oft die Artikel zum „Live Ball“ ohne Gespräch mit ihm geschrieben werden, manchmal werden Direktinterviews vor dem Druck nicht mehr vorgelegt. Wenn ihm Artikel zum Gegenlesen vorgelegt werden, tut er das, um Korrekturen am Image des Balls, der nach seiner Konzeption kein Schwulenball ist, vorzunehmen. Wenn aber Zeitungen in diese Richtung schreiben, kann er keine Klage einbringen. „Das wäre sinnlos.“

Zum Schluß der Befragung zückt die FPÖ-Seite noch einmal einen Trumpf. Oder einen vermeintlichen. Gery Keszler wäre auf einer offiziellen Veranstaltung gewesen und habe sich dort mit einem politischen Homosexuellenaktivisten gezeigt. Prompt reagieren Keszler und sein Anwalt in einer Replik: „Ja, ich war dort. Und es waren auch andere Leute dort.“ Er zählt auf: „Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofes, Richter des OGH, Vertreter des Verfassungsgerichtshofes und der Bundespräsident Fischer.“ Der Schuss der FPÖ-Zeitung geht ist Leere. Der Prozess endet. Das Pulver ist verbraucht. Keszler ist froh, dass es vorbei ist.

Offene Rede

Er hat im Prozess sogar einmal eine besondere Frage der Richterin beantwortet: „Sind Sie homosexuell? Sie müssen diese Frage nicht beantworten. Das wissen Sie.“ Er hat es trotzdem getan: „Ja, ich bin homosexuell seit meiner Jugend und ich stehe auch dazu.“ Das ist eine mutige, offene Aussage am feindlichen Terrain des Gerichts, vor Leuten einer beklagten Partei, die das weiterhin gegen ihn ausschlachten.

Keszlers Anwalt im Schlussvortrag: „Der Verein richtet eine AIDS-Charity aus und der Antragsteller lebt nicht von seiner sexuellen Ausrichtung.“ Der gegnerische Anwalt (FPÖ) sieht es genau umgekehrt: „Der Privatankläger pflegt das Image des Homosexuellen. Er äußert sich mit seinen gesellschaftlichen Positionen und lebt vom Life Ball.“ Die Aussage „Berufsschwuchtel“ fiele unter „Freie Meinungsäußerung“, so der FPÖ-Anwalt, der noch den Beweisantrag „Vorladung Kurt Krickler“ beantragt. Darauf erwidert die Klägerseite: „Wenn das durchgeht, beantragen wir 100 Zeugen, die das Gegenteil behaupten.“ Antrag Kurt Krickler wird abgewiesen.

750 Euro bedingt für journalistische Fehlleistung

Richterin Karin Burtscher verurteilt Dimitrij Grieb, Lohnschreiber der FPÖ-Zeitung „Zur Zeit“, zu 750 Euro Geldstrafe bedingt auf drei Jahre für die publizierte Beleidigung „Berufsschwuchtel“. (Bei Uneinbringlichkeit: 15 Tage Einzelhaft).

4.000 Euro Entschädigung an Keszler plus Anwaltkosten

Der Verlag „W3“, bei dem die Anwaltskanzlei Johannes Hübner (sein Sitzplatz im Parlament) mit drei Prozent „am Teil“ ist, wird zu einer Entschädigung von 4.000 Euro unbedingt an Gery Keszler verurteilt. Dazu wird die Veröffentlichung des Urteils in der Zeitung „Zur Zeit“ angeordnet. Außerdem muss die Zeitung die gesamten Anwalts- und Gerichtskosten ersetzen („zur ungeteilten Hand“), was in Summe bereits über 10.000 Euro ausmacht.

Schimpfwort

Die Hauptgründe des Gerichts im mündlichen Urteil: Die Bezeichnung „Schwuchtel“ ist ein Schimpfwort. Die Verknüpfung „mit dem Beruf umso mehr“. Das ist eine „eindeutige Beleidigung“ im Sinne des Gesetzes (§ 115 StGB). Die „Wedding Chapel“ am „Life Ball“ in den Jahren 2001 bis 2003 reichen nicht als Beweis aus, um Gery Keszler eine „direkte Vermarktung von Homosexualität“ zu beweisen. Bei Dimitrij Grieb wiegt die Unbescholtenheit. Daher nur eine bedingte Geldstrafe. Da die Zeitung „Zur Zeit“ eine „nicht wahnsinnig weite Verbreitung“ hat, fällt die Entschädigungssumme mit 4.000 (möglich wären bis zu 20.000 Euro) entsprechend nieder aus. Die beklagte Seite erwägt drei Tage Bedenkzeit.

Drei Prozesse

Der Prozess wurde das erste Mal im Jänner 2008 durchgeführt. Damals sprach Richterin Brigitte Zeilinger die Zeitung „Zur Zeit“ frei. Das Oberlandesgericht Wien ordnete nach einer Berufung die Neuaustragung an. Am 24. Juni 2009 wurde die Zeitung „Zur Zeit“ nun verurteilt. Beitrag hieß: „Die Homoletten-Opfer-Lüge“ (20. Juli 2007).

Marcus J. Oswald (Ressort: Gerichtssaal, Medienrecht) – LG Wien, Saal 308, 10 Uhr 30 – 11 Uhr 55

Eine Antwort

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  1. […] dass Dimitrij als Chef vom Dienst vom Wiener Landesgericht verurteilt wurde, weil in dem Blatt widerlich homophob gehetzt bzw. beleidigt wurde ( […]


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